Der Klimawandel ist Tatsache!
Abbildung 1: Beobachteter Klimawandel. Differenz der mittleren Lufttemperatur zum langjährigen Mittel in der Klimanormalperiode 1971-2000 von 1880 bis heute (Daten: Deutscher Wetterdienst)
Der Klimawandel ist da. Wir erleben ihn durch beispielsweise heißere und trockenere Sommer, niedrigere Wasserstände des Bodensees aber auch durch Starkregenereignisse.
Bis zum Jahr 2100 wird je nach Szenario ein Anstieg der mittleren Lufttemperatur im Raum Friedrichshafen um 1,5 bis 4°C verglichen mit dem Zeitraum 1971-2000 erwartet.
Beim Klimaschutz stehen Maßnahmen zur Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasen im Vordergrund, die zum Ziel haben, die globale Erwärmung zu begrenzen.
Maßnahmen, die der Klimaanpassung dienen, ermöglichen es uns, die nicht mehr abwendbaren und bereits eingetretenen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und Schäden zu begrenzen.
Das Klima verändert sich. Die extremen Wetterlagen wie Hitzewellen und Starkregen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass der Klimawandel auch für Friedrichshafen nicht ohne Folgen bleibt. Dabei sind es vor allem langsame und schleichende Prozesse, die unser Leben auf lange Sicht nachhaltig beeinflussen werden. Die Auswirkungen des Klimawandels werden in den kommenden Jahren noch deutlicher zu spüren sein. Die Folgen können vielfältig sein und sie werden sich auf all unsere Lebensbereiche auswirken. Eine rechtzeitige Anpassung kann Schäden reduzieren oder sogar abwenden.
Anpassung an den Klimawandel ist Pflicht!
Seit der Novellierung des Baugesetzbuchs im Jahr 2011 ist neben dem Klimaschutz auch die Klimaanpassung verpflichtender Bestandteil der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung. Mit der Erstellung der Stadtklimaanalyse und des Klimaanpassungskonzeptes schafft Friedrichshafen eine Grundlage zur klimaangepassten Stadtentwicklung.
Im Herbst 2017 hat der Gemeinderat ein integriertes Stadtentwicklungskonzept, kurz „ISEK", für Friedrichshafen beschlossen. Gemeinsam mit vielen Interessierten sind unter anderem 17 Leitprojekte erarbeitet worden, die eine zukunftsgerechte und nachhaltige Stadtentwicklung zum Ziel haben. Die Klimaanpassung ist ein wichtiger Baustein der Leitprojekte „Klimastadt" sowie „Grüne und blaue Infrastruktur".
Hinter dem Begriff „Grüne Infrastruktur" steckt der Gedanke, dass ein Netzwerk aus untereinander verbundenen innerstädtischen Grünflächen und Parkanlagen, aber auch naturnahen Gewässerstrukturen, extensiven Landwirtschaftsflächen und strukturreichen Wäldern genauso wichtig für das Wohl der Stadt ist wie die "graue Infrastruktur", also Kanalsysteme, Verkehrswege, Schulen und Krankenhäuser.
Zu Beginn steht eine ausführliche Analyse des Stadtklimas in Friedrichshafen. Davon ausgehend werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Lebensgrundlagen, den Menschen und die städtischen Handlungsfelder in Friedrichshafen analysiert und Entwicklungspotenziale benannt.
Mit Hilfe der so für Friedrichshafen gewonnenen Erkenntnisse entsteht eine übergeordnete Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Zu ihrer Umsetzung wird unter Beteiligung der Bürgerschaft und besonders betroffener Akteursgruppen sowie von Fachleuten und der Kommunalpolitik ein passgenauer Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen, die zum Ziel haben, dass Friedrichshafen auch in Zukunft eine lebenswerte, klimaangepasste Stadt bleibt.
Wir stehen Anfang 2019 in der Mitte der Konzepterarbeitung. Die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse und eine erste Abschätzung der Auswirkungen auf wichtige städtische Handlungsfelder liegen vor.
Mit Hilfer einer Bürgerbefragung, einem Experten-Workshop, Interviews von Fachleuten und der Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt des Gemeinderates sollen bis Mitte 2019 das Handlungskonzept und der konkrete Maßnahmenplan entworfen werden. Diese werden durch Ihre Beiträge ergänzt und vervollständigt.
Die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse zeigen, wie das Stadtgebiet von Friedrichshafen zunehmend durch die Folgen des Klimawandels betroffen ist.
Betrachtet wurde die Belastungssituation durch die lufthygienischen und die thermischen Verhältnisse. Als entlastende Elemente wurden die nächtlichen Kaltluftabflüsse, die innerstädtischen Grünflächen und die Wirkungen des Bodensees betrachtet.
Hinter dem Begriff „Grüne Infrastruktur" steckt der Gedanke, dass ein Netzwerk aus untereinander verbundenen innerstädtischen Grünflächen und Parkanlagen, aber auch naturnahen Gewässerstrukturen, extensiven Landwirtschaftsflächen und strukturreichen Wäldern genauso wichtig für das Wohl der Stadt ist wie die "graue Infrastruktur", also Kanalsysteme, Verkehrswege, Schulen und Krankenhäuser.
Lufthygienisch sind die Anwohner an den Hauptverkehrsstraßen am stärksten belastet. Leicht erhöhte Belastungen findet man auch in den verdichteten Siedlungsräumen. Jedoch sind die Belastungen jeweils unter den Jahresgrenzwerten.
Thermisch sind am deutlichsten die meist stark versiegelten Bereiche mit Gewerbe- und Industrienutzung um die Kernstadt belastet.
Entlastungen stellen die nächtlichen Kaltluftabflüsse aus dem nördlichen Hinterland dar, die aus dieser Richtung auf Friedrichshafen einwirken. Sie werden durch das Land-/Seewindsystem unterstützt. Das führt in den Nachtstunden zu einer Verstärkung der Kaltluftabflüsse, die in den Tagstunden zu einer landeinwärts gerichteten Strömung, die kühlere Seeluft in den Siedlungsraum hineintransportiert.
Neben den Belüftungsvorgängen spielen die klimarelevanten (>0,5 ha), innerstädtischen und öffentlich zugänglichen Grünflächen (z.B. Uferpark, Riedlewaldpark) eine wichtige Rolle. Ihre Ausgleichswirkung beschränkt sich auf den Nahbereich der Grünflächen. Sie stellen aber auch klimatisch günstige Aufenthaltsfläche dar und erhöhen die Vielfalt des Lokalklimas.
Ziele sind der Erhalt der Belüftungsfunktionen und die Sicherung oder der Ausbau der innerstädtischen Grünflächen. Da insbesondere die thermisch belastete Kernstadt keine großen Potenziale für Grünflächen aufweist, sind hier auch kleine Maßnahmen zielführend. Dazu zählen Dach- und Fassadenbegrünungen, straßenbegleitendes Grün, Verwendung von Materialien, das die Sonnenstrahlung reflektiert und Bausanierungen nach aktuellen energetischen Standards.
Hier können Sie die Präsentation zur Stadtklimaanalyse von unserer Informationsveranstaltung am 30. Januar herunterladen: Präsentation, 5 MB, nicht barrierefrei.
Landschaft
Die Analyse betrachtet zu Beginn die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und die Wälder um Friedrichshafen. Die Veränderungen des Klimas bergen für beide Bereiche Chancen (z.B. früherer Austrieb im Frühling, längere Vegetationsperiode, neue Sorten), aber auch Risiken (z.B. Schäden durch Spätfrost, Hagel, Trockenheit, Schädlingsbefall).
Der Riedlewald und der Seewald sind als "Grüne Lungen" besonders wertvoll für die Menschen in Friedrichshafen. Aufgrund der zu erwartenden extremeren und längeren Hitzeperioden steigt die Bedeutung dieser Wälder als schattige und kühle Erholungsräume für Menschen und Tier. Aber auch sie verändern sich unter den Klimaeinflüssen, weil wichtige Baumarten wie Esche und Fichte von Schädlingen befallen werden oder Stürme Schäden verursachen.
Auch Schutzgebiete und Biotope, die Lebensraum für besonders schutzbedürftige Tier- und Pflanzenarten bieten, wurden unter die Lupe genommen. Ihr Zustand ist bereits durch zunehmenden Verkehr, Siedlungsdruck und angrenzend intensive landwirtschaftliche Nutzungen vorbelastet, sodass sich klimatische Stressfaktoren besonders stark auswirken können.
Die Menschen in Friedrichshafen profitieren von den stadtnahen wertvollen Naherholungsgebieten z.B. der Grünzug vom Leimbacher Ried bis zum Hauptfriedhof sowie die stadtnahen Wälder z.B. Seewald, Brochenzeller Wald. Große strukturreiche Flächen mit Grünland, Streuobst, Wald und Gehölzen ermöglichen ein erholsames Naturerleben in unmittelbarer Nähe zu den Siedlungsgebieten. Im Landschaftsraum wirken die intensiven, teilweise umzäunten und großflächigen Obstplantagen häufig als freiräumliche Barrieren und schränken die Naherholungsnutzung ein.
Siedlungsgebiete
Von der
Landschaft kommend nähert sich die Analyse dem Stadt- und Siedlungsraum. Hier
sind die Auswirkungen des Klimawandels unter anderem stark abhängig von der
Lage in der Gesamtstadt, der Topographie, der Bebauungsart (z.B.
Einfamilienhäuser mit Privatgarten, Wohnanlagen mit weitläufigen Grünflächen
oder dichte Bebauung in der Innenstadt) und dem Versiegelungsgrad.
Die
Aufenthaltsqualität an heißen Tagen ist in verdichteten Stadtteilen mit wenig
Grün stark eingeschränkt. Aufgrund der hohen Versiegelung heizen sich diese
stark auf. Zu nennen sind hier etwa der Altstadtkern und Bereiche von
Friedrichshafen Mitte. Belastet ist auch
das Arbeitsumfeld der Menschen in einigen Industrie- und Gewerbegebieten.
Die umfangreiche und detaillierte Betrachtung der öffentlichen Grün- und Freiflächen in Friedrichshafen steht im Mittelpunkt der Analyse. Für das Klima (Kaltluftproduktion, Frischluftversorgung) und die Ökologie in einer Stadt sind diese Flächen besonders wichtig. Die grüne Infrastruktur ist von den klimatischen Veränderungen betroffen, denn Trockenheit und Hitze bedeuten auch Stress für Pflanzen und Grünflächen.
Im Fokus der Betrachtung stehen das Angebot und die fußläufige Erreichbarkeit von öffentlichen Grünflächen und großen zusammenhängenden Freiflächen im Wohnumfeld, die für die Erholung und das Naturerlebnis unverzichtbar sind. Mit Zunahme der heißen Tage werden diese Flächen für die Menschen in Friedrichshafen weiter an Bedeutung gewinnen. Im Ergebnis gibt es deutliche Unterschiede im Versorgungsgrad und der Erreichbarkeit solcher Grünstrukturen im Stadtgebiet. Daraus lassen sich klare Handlungsempfehlungen ableiten.
Friedrichshafen
verfügt über wertvolle öffentliche Grünanlagen für die ganze Familie wie der
Riedlewald, der Uferpark, das Freizeitgelände Manzell und Fildenplatz, die
Grünanlage in Wiggenhausen, den Lipbachpark in Kluftern sowie das Freizeitgelände
Weilermühle.
Teilweise
weisen die genannten Flächen jedoch in Nutzbarkeit, Ausstattung und Zustand
Entwicklungspotenziale auf. So ist z.B. die Nutzbarkeit des zentralen Uferparks
durch zahlreiche Veranstaltungen während der Sommermonate deutlich eingeschränkt.
Die Wiesen und Uferbereiche sind für Familien mit Kindern kaum nutzbar.
Da es nur wenige
einer solch großer öffentlicher Grünflächen gibt, unterliegen die bestehenden
Anlagen einem hohen Nutzerdruck.
Die am See
gelegene, hochverdichtete Kernstadt ist von großer Bedeutung für den
Einzelhandel und den Tourismus. An heißen Tagen bieten die kleinkronigen
Straßenbäume allerdings nur wenig Schatten und aufgrund des geringen
Grünflächenanteils erhitzen sich die Gebäude und die Belagsflächen. Eine kühler
und schattiger Platz befindet sich zwischen Rathaus und der Pfarrkirche St.
Nikolaus.
Charakteristisch
für Friedrichshafen ist eine Vielzahl von Strukturen mit Barrierewirkung: Die
Bahnlinie, mehrspurige Hauptverkehrstraßen aber auch die großen Gewerbe- und
Industriegebiete in zentraler Lage verringern die Durchgängigkeit der
Stadtstrukturen für Fußgänger und Radfahrer. Teilweise verursachen diese weite
Umwege. Die Zugänglichkeit des Bodensees zur Erfrischung an heißen Tagen ist entlang
der Uferpromenade nur eingeschränkt möglich. Entwicklungspotenzial besteht im
Bereich Grüne Vernetzung. Wünschenswert sind mehr grüne Wege zum See und in die
Landschaft. Die vorhandenen öffentlichen Grünflächen sollten stärker
miteinander verbunden werden.
Eine ausführlichere Zusammenstellung der ersten Ergebnisse finden sich in der Präsentation zum Klimaanpassungskonzept von faktorgruen bei der Auftaktveranstaltung am 30.1.2019 (zum Download, pdf, 10 MB) sowie auf dieser Webseite.